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Streiflichter unserer Kirchengeschichte

Die Stadtkirche wird dem Deutschen Orden übereignet

1231 – die Herborner Kirchengemeinde, die sich bis auf den hohen Westerwald erstreckt, feiert ein besonders Ereignis das es wert war, in den Annalen fest-gehalten zu werden: die  Nassauer Grafen übereignen in jenem Jahr die Stadt-kirche mit allen Einnahmen und Rechten dem Deutschen Orden. Das brachte der Gemeinde vor Ort eine gewisse Verwirrung, denn die Chorherren waren strenge Marienverehrer und errichteten gegenüber dem Petrusaltar (Petrus war der Patron der Stadt) einen Marienaltar. Es ist nicht überliefert wie die Gemeinde-glieder, und dazu gehörten alle Bewohner des Ortes,  das aufgenommen haben. unter der Priesterschaft jedenfalls kam es zu Streitigkeiten. Es wird erzählt, dass sie sich gegenseitig die Kerzen vom Altar stibitzt haben... Ansonsten verlief das Gemeindeleben nach strengen, oft auch nur formalen, Regeln, deren Beachtung niemand wagte in Frage zu stellen, zumindest nicht in unserer Region.

Hans-Dieter Wieden

Herborn ist Zentrum reformierter Theologie

1578 – nachdem schon unter Graf Wilhelm dem Reichen die lutherische Reformation stückchenweise eingeführt war, was die Gemeindeglieder zumindest von überbordenden Sitten und Gebräuchen (Messen, Wallfahrten usw.) entlastete, wandte sich sein Sohn, Johann VI., der strengeren reformierten, calvinistischen Richtung der Reformation zu. Der von ihm bestellte Pfarrer ging ziemlich rigoros vor: in einem Abendmahlsgottesdienst,  nahm er einen ganzen Laib Brot vom Altar, brach in auseinander und wollte ihn der Gemeinde brockenweise austeilen. Die Gemeinde war empört und verließ fluchtartig die Kirche... dennoch: Kurz darauf wurde Herborn durch die Hohe Schule zum Zentrum der reformierten Theologie in den deutschen Landen; die Professoren predigten und die Gemeinde bekam insofern ein gewisses Mitspracherecht – nicht in theologischen Fragen, aber  in Gemeindeangelegenheiten: sie durften  Älteste aus ihrer Mitte wählen deren besondere Aufgabe es war, auf die Kirchenzucht zu achten, zum Beispiel dass der sonntägliche Gottesdienst regelmäßig besucht wird und  die Gemeindeglieder nach den 10 Geboten leben. In den Akten ist zum Beispiel  festgehalten, dass ein namhafter Herborner Bürger vom Presbyterium  vorgeladen und zu einer Geldstrafe von 2 Gulden verurteilt wurde weil er am Sonntag gebacken hatte.  (Das Geld ging allerdings in den Armenkasten)

Hans-Dieter Wieden

Das Theologische Seminar prägt mit

1821 – wieder ein wichtiger Schritt: das theologische Seminar der nassauischen Kirche wurde im Schloss eingerichtet als Nachfolgerin der theologischen Fakultät der Hohen Schule. Das hatte auf das Gemeindeleben insofern Einfluss, dass die hier auszubildenden Pfarramtskandidaten in die Gemeindearbeit einbezogen waren, aber man hat so den Eindruck als Plätscherte das Gemeindeleben so ohne Kraft und Saft dahin.  Einen bedeutenden Schub aber bekam die Gemeinde durch die sogenannte Erweckungsbewegung in den 1860er Jahren, von der auch das theologische Seminar geprägt wurde. Nun nahmen aber auch Gemeindeglieder die Bibel selber in die Hand und wagten, wenn die Auslegung zu liberal war, zu widersprechen und es entstanden neben der Landeskirche freie Gemeinden.  Nach dem ersten Weltkrieg schon wurde das Gemeindeleben vielfältiger: es gab einen Kirchenchor, Kindergottesdienst, Frauenkreis und  Bibelstunden und erst recht nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gemeindeleben mit dem Bau eines Gemeindehauses in der Stadt noch vielfältiger.

Hans-Dieter Wieden

Selbständiges Gemeindeleben

1976 – ist insofern bedeutsam für die Gemeinde, da das Theologische Seminar sich bis auf einen Predigtauftrag und die Mitgliedschaft des Seminardirektors im Kirchenvorstand aus dem Gemeindebetrieb ziemlich herausgezogen hat. Auch die dörflichen Gemeinden um Herborn herum waren mittlerer Weile selbst-ständig geworden und Herborn selber hat seit einigen Jahren nur noch zwei Pfarrstellen und Gemeindebezirke, was allerdings der kleiner gewordenen Gemeindegliederzahl geschuldet ist. Heute pflegen die Menschen in der Gemeinde nach vielen Jahren theologischer Spannungen und Diskussionen ein gutes Miteinander. Nach wie vor ist die Stadtkirche zusammen mit einem neu errichteten Gemeindehaus in unmittelbarer Nachbarschaft, Mittelpunkt des Gemeindelebens. Nach innen gibt es viele Gruppen und Kreise: Kinder-, Jugend-, Frauen-, Männer-, Senioren-, Haus-, Bibel-, Chöre und nach außen hin ist Gemeinde präsent durch regelmäßige Gemeindebriefe, Besuchsdienste, kirchliche Ansprechpartner und Kirchenkonzerte. Besonders gepflegt werden die Beziehungen zur katholischen Schwestergemeinde und die, aus theologischen Gründen nicht immer reibungslosen Begegnungen mit den verschiedensten freien Gemeinden vor Ort. Auch wenn sich das Gemeindeleben im Laufe der Jahrhunderte stark verändert hat, eines ist geblieben und tragender Grund des Gemeindelebens: Die Verkündigung, das Kennenlernen und die Annahme der Liebe Gottes in Jesus Christus. Und das ist unsere Freude!

Text: Pfarrer i. R. Roland Lommel

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