Ein kleiner digitaler Kirchenführer
Anfänge
Die Herborner Stadtkirche ist das älteste Gebäude der Stadt. Von der „Herborner Mark“ ist schon 914 die Rede und das weißt uns darauf hin, dass hier schon eine Kirche steht, denn die „Mark“ ist eine Bezeichnung für ein größeres Gebiet. Und im Hauptort, hier Herborn, steht natürlich eine Kirche. 1219 wird in einer Urkunde ein Pfarrer namentlich benannt und ab 1231, als die Kirche dem Deutschen Orden übertragen wurde, gibt es vermehrt auch Hinweise auf das Kirchengebäude, das, nachdem Herborn 1251 zur Stadtgeworden war um 1315 um einen größeren Chorraum erweitert wurde mit den heute leider nur noch teilweise erkennbaren Fresken. Auf dieses Datum kommt man durch die dendrologische Untersuchung eines Sparrens vor noch gar nicht allzu langer Zeit (1993)
Wer von Nordwesten her den Glockenturm betrachtet, sieht oberhalb der Außentreppe zur Empore den kümmerlichen Rest eines romanischen Rundbogenfrieses. Das ist der älteste noch sichtbare Teil der Kirche, einer romanischen Basilika mit Mittelschiff (heute noch zu ahnen zwischen den vier Säulen), zwei niedrigen Seitenschiffen(heute die erste Emporenreihe), einer halbrunden Absis im Osten (heute durch einen Steinring auf dem Boden angedeutet) und zwei Türmen zu beiden Seiten der Apsis. Und es gab einen dritten Turm im Westen (heute noch vorhanden).
Anbauten
150 Jahre später (1468) gab es eine Erweiterung des Chors durch ein gotisches Sternennetzgewölbe, das wir heute noch sehen und vermutlich auch die Sakristei, in der sich heute der Sarkophag mit der letzten Dillenburger Gräfin Charlotte, Amalie, Isabella v. Nassau befindet, sowie ein Anbau an der östlichen Nordseite (der aber auch 1811 wieder abgebrochen wurde zusammen mit der Türmerwohnung zwischen den beiden Osttürmen).
Eine weitere, bis heute sichtbare Veränderung, gab es um 1600, als die Seitenschiffe abgebrochen wurden und mit Hilfe der vier Säulen die große Halle mit den doppelstöckigen Emporen entstand. Auf der Südseite wurde ein Vorlesungsraum mit einem Seitenturm angebaut und auf dem Dachboden wurde ein weiterer Vorlesungsraum (für Medizin) angebaut. Diese Veränderungen waren der Hohen Schule geschuldet.
Renvoierungen
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die bauliche Vernachlässigung der Kirche offensichtlich geworden. Als 1787 der Westturm einbrach, war das der Anfang zahlreicher weiterer Renovierungen. Nicht durchsetzen konnte sich eine völlige Neukonzeption des damaligen Bauamtsleiter Schrumpf. Er war vorher Zeichenlehrer an der Hohen Schule. Nur die neue Turmhaube (wie wir sie heute kennen) durfte er konstruieren – und die Kirche in Driedorf.
Heutige Gestalt
Die nächste große Renovierung begann im Jahr 1909. Die im reformierten Reformationseifer übertünchten Bilder wurden wieder freigelegt, und die 7 Maßwerkfenster im Neuklassizistischen Stil wurden eingebaut und von dem Frankfurter Glasmaler Otto Linnemann gestaltet. Das Gebälk wurde fast ganz ersetzt, die Kirche neu angestrichen und mit einer Heizung versehen. Ihr jetziges Aussehen bekam die Kirche durch eine gründliche Restauration im Jahr 1955. 1966 wurden Altar und Taufstein gekauft, und es wurde die Walkerorgel mit ihren 50 Registern und 3485 Pfeifen eingebaut. 1977 wurden die Kirchenbänke neu gestrichen bzw. aufgefrischt und die Heizung zuerst auf Öl, später auf Gas umgestellt. In den Jahren 1998 bis 2001 bekam die Kirche einen neuen Außenanstrich und bald ist eine Erneuerung des Daches fällig (siehe Gemeindebrief 4/2020).
Vielen Dank an Herrn Joachim Wienecke und Herrn Rüdiger Störkel für die Informationen zu diesem Artikel.
Text: Pfr. i. R. Ronald Lommel